65 Jahre - quicklebendiger Verein - Kanu Schwaben Augsburg
14.12.2025 18:24
Ein Verein im Rentenalter ist nach wie vor quicklebendig
Ein Verein im Rentenalter ist nach wie vor quicklebendig
Kanu Schwaben Augsburg blickt auf eine Erfolgsgeschichte, die bis heute währt. 65 Jahre
sind es mittlerweile. Das ist es wert, eine kleine Bilanz zu ziehen. Gründungsmitglied Karl
Heinz Englet erinnert sich.
Es begann alles 1960. Wir waren sechs Kanuten, die bereits gut ausgebildet waren und schon
größere Erfolge vorweisen konnten. Unverständlich für uns war, dass wir nur einmal pro
Woche im Eiskanal trainieren durften. Ansonsten fand der Trainingsbetrieb am still
fließenden Wertachkanal, wo auch das Bootshaus war, statt. Das gefiel uns natürlich nicht.
Was also tun? Wir mussten uns neu orientieren. Der uns sehr wohl gesonnene Sportchef der
Augsburger Allgemeinen, Robert Deininger, der unser Potenzial für sportliche
Höchstleistungen erkannte, machte uns darauf aufmerksam, dass beim Großverein TSV 1847
Schwaben Augsburg bereits vor dem 2. Weltkrieg eine Kanu-Abteilung existiert hatte.
Daraufhin sprachen unser Trainer Helmut Handschuh und ich beim Präsidium des TSV 1847
Schwaben Augsburg vor. Die zuständigen Herren erkannten sofort, dass mit uns etwas
Besonderes entstehen könnte. Wir bekamen sogar als Begrüßungsgeschenk unser erstes
Vereinsboot. Handschuh übernahm zu seinem Trainerjob noch die Leitung der neuen
Abteilung. Unser Bootshaus war ab da im Garten und im Speicher meiner Eltern im
Schleusenmeisterhaus - direkt dort, von wo damals die Boote zum Slalom in den Eiskanal
starteten.
Die ersten Erfolge
Dann kamen Samstag und Sonntag, 30. und 31. Juli 1960. Zwei Tage voll herrlicher
Erlebnisse. Der AKV - unser ehemaliger Verein - richtete auf dem Eiskanal die Deutsche
Meisterschaft aus. Wir schenkten unserem neuen Club einen siegreichen Einstand – mit
gleich drei deutschen Meistertiteln. Die Erfolge im Slalom und in der Wildwasserabfahrt
wurden immer mehr und so begannen wir mit dem Bau eines eigenen Bootshauses im
Eiskanal-Gelände, das 1964 fertig wurde und unseren bereits 180 Mitgliedern eine neue
Heimat bot. Als Ausrichter von Kanu-Großveranstaltungen in Augsburg und in der
Wildwasserabfahrt in Garmisch machten wir uns schnell einen guten Namen.
Eine neue Ära im Kanusport beginnt
1968 ging schließlich der größte Wunsch aller Kanuten weltweit in Erfüllung! Das
Internationale Olympische Komitee (IOC) beschloss, dass Kanuslalom erstmals zu den
Olympischen Sommerspielen 1972 in München ins olympische Programm aufgenommen
wird. Die Tinte war noch gar nicht getrocknet, da tönte Helmut Handschuh bereits: „Wir
jagen den Münchnern den Slalom ab. Dich, Karl Heinz, brauche ich nicht mehr als Sportler.
Du musst jetzt Funktionär mit politischem Einfluss werden.“ Gesagt – getan, ich wurde
Slalomsportwart im Bayerischen Kanuverband. Der „Kampf“ war eröffnet. Es war nicht
leicht, da alle aus Prestige-Gründen den Slalom in München wollten. Letztendlich haben wir
uns durchgesetzt. Wir bekamen einen neu gestalteten Eiskanal: Das erste Kanuslalom-
Stadion der Welt wurde Vorbild für viele weitere Strecken rund um den gesamten Globus.
Unser Sport boomte, die Mitgliederzahlen ebenfalls. Grund dafür war ein hoch
professionelles, gut funktionierendes Team aus Politik, Medien und Sport, das super
harmonierte. Ich war - wie man heute sagen würde - das Testimonial. Es gäbe noch so viel zu
erzählen, der Platz reicht leider nicht. Faszinierend auch oder gerade aus heutiger Sicht:
Alles, auch das Meisterwerk Wildwasser-Stadion wurde termingerecht fertig. Dass die
Kanustrecke heute in einem für alle zugänglichen Naherholungsgebiet eingebettet liegt, ist
ein zusätzlicher Glücksfall.
Der olympische Geist in Augsburg
August im Sommer 1972. Die Vorfreude war in der ganzen Stadt zu spüren. In der über 2000
Jahre alten Geschichte der Römerstadt Augsburg stand das größte Sportereignis aller Zeiten
an: der olympische Kanuslalom. Unglaublich, aber wahr: Das olympische Feuer erreichte
nach mehreren Stafetten von Augsburger Vereinssportlern den Eiskanal. Heute noch ein
lebendiger und berührender Moment für mich. 30.000 Gäste im Kanustadion erwarteten
mucksmäuschenstill die Ankunft des Feuers. Pünktlich um 12 Uhr entzündete ich die
olympische Flamme am Austragungsort. Der stürmische Jubel klingt mir noch immer im Ohr -
bis heute ein bewegendes Gefühl für mich, zu diesem einmaligen Ereignis auserkoren
worden zu sein. Ganz Augsburg feierte sich als Olympia-Stadt. Die Wettkämpfe begannen
mit viel Prominenz auf der Ehrentribüne: U.a. begrüßten unsere beiden Oberbürgermeister
Wolfgang Pepper und Hans Breuer Münchens Alt-OB Hans-Jochen Vogel (Vielen Dank Herr
Vogel, ohne Ihre Unterstützung hätten wir den Slalom in Augsburg nicht bekommen).
Weitere Prominente aus Politik und Sport waren IOC-Präsident Avery Brundage, sein
Nachfolger Michael Killanin, Bundeskanzler Willi Brandt, Ministerpräsident Alfons Goppel,
CSU-Chef Franz-Josef Strauß, DSB-Präsident Willi Daume und den vierfachen Olympia-Sieger
von 1936 in Berlin, Jesse Owens (USA).
Im Oberhaus des Sports
Auf eine unvergessliche Eröffnung folgten die Wettkämpfe. Die Entscheidungen im Kajak-
Einer Herren und Kanadier-Einer Herren wurde sehnlichst erwartet. Es folgten am
übernächsten Tag die Kanadier-Zweier Herren und die K1 Damen. Die Medaillen-Bilanz war
für beide deutsche Teams fantastisch. Von den zwölf möglichen Medaillen gingen neun an
Gesamt-Deutschland (5 DDR, 4 BRD). Mit einer Silbermedaille durch die 18-jährige Gisela
Grothaus war auch Kanu Schwaben dabei. Noch im Laufe der Spiele wurde bei den IOC-
Verantwortlichen gemauschelt, dass der Kanuslalom eine rein deutsche Angelegenheit sei
und könne daher nicht weiter im olympischen Programm bleiben. Stimmte so natürlich nicht
- der Slalom wurde damals von über 80 Nationen betrieben. Tatsache ist, Kanuslalom wurde
trotz der tollen Premiere in Augsburg wieder aus dem olympischen Programm genommen.
Die Kanuten mussten lange 20 Jahre warten: Erst 1992 in Barcelona konnten sie wieder bei
Olympia in ihre Boote steigen. Für uns Kanu Schwaben wunderbar: Die Siegerin bei den
Damen hieß Elisabeth Micheler, hinter ihr als Vierte ihre Club-Kameradin Eva Roth. Der
Kanuslalom ist seitdem zurück im Oberhaus des Sports. Weitere Kanu Schwaben als
Olympia-Sieger und Medaillen-Gewinner sind: 1996 in Atlanta Oliver Fix, 2000 in Sydney
Thomas Schmidt, 2008 in Peking Alexander Grimm, 2012 in London Silber durch Sideris
Tasiadis und Bronze 2020 in Rio sowie in Paris 2024 Silber durch Elena Lilik und Bronze durch
Noah Hegge. Sideris ist übrigens unser Mr. Olympia mit (bislang) insgesamt vier Olympia-
Teilnahmen.
Breit aufgestellt
Wie ging es nach Olympia 1972 bei den Kanu Schwaben weiter. Nachdem unser kleines, sehr
schönes, eigenes Bootshaus, den Olympia-Bauten weichen musste, bekamen wir von der
Stadt Augsburg, der die gesamte Olympia-Anlage übereignet wurde, ein eigenes Bootshaus
zur Miete. Zu Slalom und Wildwasser, Wander- und Rennsport kamen neue Disziplinen wie
Freestyle, Rafting, Stand-Up-Paddling und Kanu-Cross. Auf die Ausbildung von Schülern,
Jugendlichen und Junioren wurde größte Aufmerksamkeit gelegt. Die Mitgliederzahl
pendelte sich bei 500 ein. Als Kanuabteilungsleiter ist Horst Woppowa besonders
hervorzuheben - von unseren 65 Jahren war Horst 39 Jahre lang der Boss. In seiner Amtszeit
entwickelte sich Kanu Schwaben zum weltweit erfolgreichsten Kanuslalomclub. Dazu ist vor
allem neben den sportlichen Erfolgen auch das Ausrichten von großen Events zu zählen.
Durch große Unterstützung der Stadt Augsburg sind hier die Slalom-WM 1985, fast jedes
Jahr ein Welt-Cup, Europameisterschaften sowie die großartige Slalom WM 2003 mit der
Eröffnungsfeier auf der Freilichtbühne zu erwähnen. In jüngster Vergangenheit war es die
WM 2022 auf der neu restaurierten Olympia-Anlage und der Eröffnungsfeier auf dem
Rathausplatz. Vielen Dank liebe Frau Oberbürgermeisterin Eva Weber, für Ihre
Unterstützung und Zusammenarbeit. Auch unsere zahlreichen Volunteers und Helfer gilt es
zu würdigen: Ohne Euch wären Veranstaltungen auf diesem Niveau nicht möglich. Vielen
vielen Dank dafür.
Von den vielen nicht erwähnten sportlichen Persönlichkeiten unseres Clubs möchte ich
stellvertretend Peter Micheler erwähnen. Er hatte das Pech, dass in seiner aktiven Zeit der
Slalom nicht olympisch war. Wir hätten sonst sicher einen Olympia-Sieger mehr. Es war
faszinierend wie er und Richard Fox mit den neuen, kürzeren und flacheren Booten eine
völlig neue Fahrtechnik entwickelte. Neben mehreren WM-Titeln hält Peter auch den
nationalen Rekord mit acht deutschen Einzeltiteln in Folge. Als Schlussbilanz die Erfolge
unserer Schüler, Jugendlichen, Junioren, Aktive und Senior Sportler in allen betriebenen
Disziplinen: 348 Deutsche Meister, 64 Europameister, 68 Weltmeister, 14 Gesamt-Welt-Cup-
Sieger und dazu großartige Platzierungen wie zweite und dritte Plätze. Die Olympia-Erfolge
habe ich ja bereits erwähnt.
Zum Schluss noch eine persönliche Bilanz. Es waren aufregende, erfolgreiche und intensive
65 Jahre, die mein Leben mitgeprägt haben. Ich blicke mit Stolz und Freude darauf zurück.
Letztendlich hat sich das Vertrauen des TSV 1847 Schwaben Augsburg in uns Kanuten
bewährt. Für die nächsten 65 Jahre wünsche ich Hans Koppold, dem derzeitigen Kanu-Boss,
und Hans-Peter Pleitner, unserem TSV-Präsidenten, mit ihren jeweiligen Mitstreitern viel
Erfolg und alles Gute.
Nach dem großartigen Votum der Münchner Bevölkerung steht hoffentlich für Olympia
2036, 2040 oder 2044 in München nichts mehr im Wege. Wir Augsburger wollen wieder mit
unserem Eiskanal dabei sein. Dazu wünsche ich Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber
und allen weiteren Sportinteressierten und -Engagierten viel Erfolg und ein gutes Gelingen.
Marianne Stenglein / Kanu Schwaben Augsburg / Presse / 14.12.2025 Text Karl Heinz Englet / Fotos Michael Neumann,
Marianne Stenglein, Horst Woppowa und diverse Fotos vom Archiv KSA
Dank Horst Woppowa haben die Kanu Schwaben so einen großen Fundus aus den 65 Jahren, er hegt und pflegt die über 60 Ordner mit Fotos,Presseartikel und führt auch die Medaillenspiegel unserer Sportlerinnen und Sportler. Deshalb können wir stolz auf diesen Fundus (digital und in Ordnern) sein und sagen ein herzliches Dankeschön!

























