Unser Gold-Alex hört mit dem Leistungssport auf

11.04.2018 17:49
von Marianne Stenglein

Interview wegen dem Karriere-Ende von Alexander Grimm mit Marianne Stenglein

MS: Wie lange hast Du mit Dir gekämpft, um Dich zu einem Ende der Karriere in dieser Saison zu entschließen? Was war der Auslöser dafür? Schließlich war der Slalomsport immer Dein Ein und Alles und Du hast Dich auch nie von Rückschlägen unterkriegen lassen.

AG: Einen konkreten Auslöser dafür gab es eigentlich nicht. Dieser Entschluss war mehr ein Prozess über die vergangenen Monate hinweg. Ich war für ein dreiwöchiges Auslandsstudium in Plymouth, England. Während dieses Aufenthaltes ist mir klar geworden, dass es auch noch ein Leben abseits des Leistungssports gibt, welches mir ebenso Spaß macht, wie das Kajakfahren. Also wusste ich, dass ich zeitnah eine Entscheidung treffen muss, wie es weitergeht. Mein Leben war 23 Jahre auf Kanuslalom ausgerichtet und dieser Sport wird auch weiterhin Teil meines Lebens bleiben. Allerdings bin ich jetzt an einem Punkt, an dem ich das Gefühl habe, dass es Zeit wird für neue Herausforderungen. Von daher bin ich sicher, dass es der richtige Zeitpunkt und die richtige Entscheidung ist.

MS: Du hast so viel erreicht und bist seit Schülerzeiten im Boot anzutreffen gewesen zudem hast so viele Titel vorzuweisen. 2008 die Olympiamedaille in Peking war ja das absolute Highlight, aber Du hast uns auch in den fast 10 Jahren danach noch so viel Freude bereitet mit Deinem Stil, der Technik und der Leidenschaft und Deinem Willen vorne mit dabei zu sein. Immer in der Nationalmannschaft und stets beste Leistungen zu zeigen, das ist schon enorm. Was hat Dich hier am meisten angespornt um zu Siegen?

AG: Die Olympischen Spiele waren das absolute Highlight in meiner aktiven Zeit als Leistungssportler, das ist richtig. Ich wurde öfters darauf angesprochen, was ich eigentlich noch erreichen will, da ich ja bereits alles erreicht habe. Viele denken, dass man nach einer Goldmedaille bei den Olympischen Spielen doch guten Gewissens mit dem Sport aufhören kann. Aber ich habe mir schon als Schüler eigentlich ganz andere Ziele gesetzt, die ich im Laufe meiner sportlichen Karriere erreichen wollte – und das war immer eine Einzelmedaille bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft. Außerdem war ich nach Peking 2008 mit 21 Jahren einfach noch zu jung, um „in Rente“ zu gehen. 2015 hat es mit dem Vize-Europameistertitel im Kanuslalom dann geklappt und dieser Titel bedeutet mir persönlich sehr viel. In den letzten Jahren hat sich die Sportart sehr verändert, die Leistungsspitze im Slalom ist enger zusammengerückt, vieles ist professioneller geworden. Ich bin im Nachhinein froh, dass ich bis 2017 Teil dieser Szene war und das aktiv miterleben durfte.

MS: Was kannst Du den jungen Sportlern mit auf dem Weg geben, welche genauso weit wie Du kommen möchten? Was war Deine Motivation, auch wenn es einmal nicht so lief wie Du wolltest?

AG: Jeder Sportler geht anders an eine Wettkampfsituation heran und muss für sich selbst den besten Weg finden, um mit Sieg oder Niederlage umzugehen. Im Kanuslalom geht es nicht immer nur darum, Trainingsweltmeister zu werden und es gibt kein generelles Rezept, um zu gewinnen. Man muss sich auf jede Strecke und jeden Wettkampf individuell einstellen. Das erfordert Geduld, Glück, Tagesform, Willen und Durchhaltevermögen – aber dadurch bleibt es auch spannend und das war für mich immer der Reiz dieser Sportart. Teilweise erfordert es starke Nerven, da es auch während eines Wettkampfes ein ständiges Auf und Ab ist. Man hangelt sich von der Qualifikation über das Semifinale ins Finale, um dann seine beste Leistung punktgenau abzurufen. Meine Motivation war immer, das im Training gelernte bestmöglich im Wettkampf umzusetzen und zu zeigen, was in mir steckt. Natürlich klappt das nicht immer so wie man es möchte, aber ich konnte mit Niederlagen relativ gut umgehen, da es für einen Sportler normal ist, dass man zwar oft gewinnt, aber mindestens genauso auch oft zu den Verlierern gehört. Deshalb darf man sich nie unterkriegen lassen.

MS: Was sagen Deine Trainer über Deinen Entschluss nicht mehr wettkampfmäßig ins Boot zu steigen und Deine Partnerin?

AG: Mein Trainer Thomas Apel war neben meiner Freundin und der Familie der erste, an den ich mich gewendet habe, nachdem ich mir relativ sicher war mit der Entscheidung aufzuhören. Ich habe ihm meine Situation und meine Gedanken ehrlich und direkt mitgeteilt, er hat es gut aufgenommen und mich verstanden. Das war mir besonders wichtig, da ich ohne Thomas niemals das erreicht hätte, was ich in diesem Sport erreicht habe. Natürlich ist es schade, wenn man sich jahrelang tagtäglich sieht und sich unsere „Wege“ nun erstmal trennen werden bzw. der Alltag nicht mehr in der Form stattfindet, wie es jahrelang der Fall war. Ich bin Thomas für die Jahre, in denen ich mit ihm trainieren durfte, sehr dankbar und natürlich bleiben wir weiterhin in Kontakt.
Meine Freundin Elena hat mich in den letzten sechs Jahren immer unterstützt und hat diesen Entscheidungsprozess, meine Karriere zu beenden, natürlich direkt mitbekommen. Sie hat mir immer gesagt, dass ich das tun soll, was mich glücklich macht und dass nur ich alleine diese Entscheidung treffen kann.

MS: Wie sieht Dein Plan für Dein Leben „nach dem Kanusport“ aus, beruflich und privat?

AG: Derzeit absolviere ich ein MBA Studium an der Hochschule München, was mir sehr viel Spaß bereitet. Ich habe ja bereits einen Bachelor- und einen Masterabschluss in der Fachrichtung Maschinenbau – jedoch hatte ich nach meinem Masterstudium das Gefühl, dass ich mein technisches Wissen gerne noch mit wirtschaftlichen Inhalten ergänzen würde und deshalb bin ich dankbar, dass ich für dieses Studium ausgewählt wurde und den Schritt gegangen bin. Aktuell bin ich gerade dabei, mich nach Stellenangeboten umzusehen und ich habe bereits etwas in Aussicht, was ich mir sehr gut vorstellen könnte. Leider ist noch nichts konkret, deshalb würde ich das gerne erstmal noch für mich behalten. Aber generell kann ich mir derzeit gut vorstellen, zeitnah in einen Beruf einzusteigen und mich auf das Arbeitsleben einzulassen. Das wird für mich ein völlig neuer Lebensabschnitt und mit Sicherheit eine Herausforderung aber ich freue mich darauf.

MS: Wir kennen uns schon seit Deiner Schülerzeit und ich bin einerseits traurig, dass Du nun nicht mehr auf internationalen Wettkämpfen teilnehmen wirst, aber vielleicht treffen wir Dich das eine oder andere Mal noch bei nationalen Wettkämpfen an?

AG: Diesen Schritt jetzt zu gehen war auch für mich nicht einfach. Ich denke, das wird mir auch dann immer wieder bewusst, wenn ich bei Wettkämpfen nicht an der Startlinie sondern am Zuschauerrand stehe. Jedoch habe ich diese Situation noch nicht erlebt und kann daher auch nicht sagen, wie es sich anfühlen wird. Was ich jedoch sicher weiß, ist, dass ich mich mit 31 Jahren jetzt bereit fühle, neue Wege zu gehen und dass ich bisher nicht an der Entscheidung gezweifelt habe, da ich es mir reiflich überlegt habe, wie es weitergehen soll. Im Slalom ist meine Karriere definitiv vorbei. Da ich mich mit dem Sport sehr verbunden fühle und auch die Atmosphäre genieße, bin ich auch in Zukunft gerne als Zuschauer bei den Slalom-Wettkämpfen dabei.

MS: Du hast ja erst letztes Jahr die Bronzemedaille bei der Adidas Sickline WM auf der Ötz im Extremsport herausgefahren (Weltmeister warst Du übrigens auch schon in dieser Disziplin). Sehen wir Dich im Extremsport oder beim Boater Cross weiterhin an Wettkämpfen teilnehmen oder wirst Du hier auch kürzertreten?

AG: Die Bronze-Medaille bei der Adidas Sickline zu gewinnen war ein ganz besonderes Gefühl und auf jeden Fall ein einzigartiger Moment, auf den ich sehr stolz bin. Leider findet die Adidas Sickline 2018, den Veranstaltern nach, nicht statt. Wie es 2019 aussieht kann ich jetzt noch nicht sagen. Aber erstmal werde ich auch im Extremkajak/ Boatercross an keinen Wettkämpfen teilnehmen. Das kann ich mir für die Zukunft zwar weiterhin vorstellen, jedoch möchte ich auch hier nur dann an den Start eines Wettkampfes gehen, wenn ich gut vorbereitet bin.

MS: Für die Zukunft wünschen wir Dir alles erdenklich Gute aber wir sehen uns ja trotzdem am Eiskanal. Eine Ära GRIMM ist hiermit zu Ende gegangen und da Du den Sport allgemein sehr liebst, wirst Du jetzt wieder mehr Zeit für Dein geliebtes Mountain Biken haben. Die Kanu Schwaben sind und bleiben immer stolz auf Dich!
Vielen Dank! Auch für mich ist das heute kein leichter Tag, aber ich bin ja nicht aus der Welt und wohne immer noch in Hochzoll und daher sehr nah am Eiskanal und in der Nähe von Kanu Schwaben Augsburg. Ich bin meinem Verein sehr dankbar für die Unterstützung, die ich von meinem ersten Tag im Schülerboot an erhalten habe und die nie abgerissen ist. Daher bin ich mir sicher, dass ich auch weiterhin mit Kanu Schwaben Augsburg verbunden bleiben werde. Auch ich bin ein sehr stolzer Schwabenritter und dankbar Teil dieses Vereins sein zu dürfen!

Diese Titel hat GOLD Alex im Laufe seiner Jahre angesammelt, ein tolles Ergebnis:
2017 Bronze Extr.-WM Ötz (AUT)
2015 Silber (Einzel) EM Markkleeberg (GER)
2014 Europameister (Team) EM Wien (AUT)
2011 Weltmeister (Team) WM Bratislava (SVK)
2010 Weltmeister (Team) WM Tacen (SLO)
2009 Weltmeister Extr.-WM Ötz (AUT)
2008 Olympiasieger OS Peking (CHN)
2007 Weltmeister (Team) WM Foz do Iguazu (BRA)
2006 Bronze (Team) EM L'Argentiere (FRA)
2004 Juniorenweltmeister WM Lofer (AUT)
sowie Mehrfacher Deutscher Meister

Marianne Stenglein / Referentin für Presse / 11.04.2018

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