Olympia-Anzug hing 50 Jahre (fast nur) im Schrank

24.07.2022 16:19
von Presse KSA

Horst Woppowa zeigt bei der Kanuslalom WM ein besonderes Erinnerungsstück an Olympia 1972

Tipp-topp sieht er aus, der Anzug, den Horst Woppowa bei den ersten olympischen Kanuslalom-Wettbewerben im August 1972 am Eiskanal trug. Auch nach 50 Jahren findet man im grünen Sakko und der grauen Hose keine Flecken und Fransen. Kein Wunder, schließlich hat Horst die textilen Erinnerungen an diese Sternstunde des Kanusports in Augsburg einige Jahrzehnte sorgsam im Schrank verwahrt, dann einmal vor etwa 20 Jahren, so erzählt er, beim Bootshaus-Fasching der Kanu-Schwaben getragen und schließlich dem Augsburger Kanu-Museum übergeben. Aber auch dort hin die Kleidung vor allem in einem Schrank.

Jetzt, zu Kanuslalom WM 2022, zum 50. Geburtstag des Eiskanals, ist der Anzug im VIP-Bereich des Orga-Zentrums ausgestellt. Und wenn man mit Horst darüber spricht, dann hört man viele lebendige Erinnerungen an die internationale Premiere des Eiskanal im August 1972.

Mit 24 Jahren war er der jüngst der 60 Kampfrichter, die damals am Kanal im Einsatz waren. Mit dabei waren vier aus Augsburg, erzählt Horst: Er und Kurt Hampel von Kanu Schwaben, Manfred Scheppach und Günther Schenk vom AKV. „Damals war jedes Tor mit 2 Kampfrichtern besetzt“, erzählt er. Horst musste Tor 5 im Auge behalten. Noch heute grüßt ihn der Präsident des japanischen Kanu-Verbandes, Shoken Masanori Narita, der 1972 für Japan am Start war, lachend mit „Gate Five!“.

Dass man für die damals 600 Meter langen Kanuslalom-Strecken mit ihren 30 Toren dann für jeden internationalen Wettbewerb 60 Kampfrichter brauchte, das sei später ein Argument im Internationalen Olympischen Komitee gewesen, um den Kanuslalom nach 1972 wieder aus dem olympischen Programm zu streichen. (Das Argument, dass in Augsburg 1972 fast nur deutsche Kanut*innen aus Ost und West auf dem Siegertreppchen standen, kursierte nur hinter vorgehaltener Hand).

Der sicher so nicht erwartete Verlauf des Kanuslalom-Wettbewerbs hat Horst Woppowas Begeisterung für die Olympischen Spiele von 1972 nicht getrübt. Er war beeindruckt von der Eröffnungsfeier im Münchner Olympiastadion und von der entspannten, weltoffenen Atmosphäre, die er im olympischen Dorf erlebt hat – bis zu jenem schlimmen Terroristen-Überfall auf das Team der israelischen Ringer, der die „heiteren Spiele“ jäh durchbrach.

Horst war damals frisch mit seiner Christa verheiratet und wohnte natürlich zuhause. Aber für eine Nacht hat er dann doch, so erzählt er, das Zimmer im Münchner Hilton Hotel ausprobiert, das für ihn als Kampfrichter reserviert war. Als Kampfrichter hatte er auch freien Zugang zu olympischen Wettbewerben. So habe er bei einem Boxkampf der Schwergewichtsklasse ganz dicht am Ring verfolgen den späteren Olympiasieger, den Kubaner Teófilo Stevenson, beobachten können.

Viele Erinnerungen also, die noch nach 50 Jahren an so einem Anzug hängen. Ob die T-Shirts, die Jacken und Hosen der Kanuslalom WM von 2022 auch so lange halten? Die Erinnerungen, daran sollte kein Zweifel bestehen, werden bei den jungen Starten und Mitwirkenden sicher auch so lange lebendig bleiben.

Text und Fotos: Hermann Schmid

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