TID 2025: Drei Kanu-Schwaben auf der Donau

Die 68. „Tour International Danubien“ lockte im Juni und Juli drei Mitglieder von Kanu Schwaben Augsburg auf den zweitlängsten Fluss Europas. Ein Paddelerlebnis der besonderen Art.
Für die meisten in unserem Verein, der seit seiner Gründung von Wildwasser-Paddeln und Kanuslalom geprägt ist, ist das sicher eine ungewöhnliche Vorstellung: mit langen Kajaks auf eine lange Strecke gehen, auf ruhigem, nur gelegentlich flott fließendem, vor Staustufen oft stehendem Wasser. Am Ufer allenfalls sanfte Hügel, Berge in weiter Ferne. Dafür aber das Gefühl, Teil eines ganz besonderen Projekts zu sein. Und einer Gruppe, die mit jedem Tag mehr zur Gemeinschaft wird.
Rückblende: 2019 hatte sich KSA-Mitglied Bruno Emerich, frisch im Ruhestand, für die „Tour International Danubien“, kurz TID, angemeldet, war in einem Durchlauf von Ingolstadt nach Sf. Gheorghe im rumänischen Donaudelta gepaddelt und noch etwas weiter bis zur Mündung ins Schwarze Meer – 2454 Kilometer in elf Wochen. Seine Kurzberichte via WhatsApp hatten sich bei einigen im Verein eingeprägt.
So beschließen heuer im Frühjahr Hans Koppold, Hermann Schmid und Dietmar Zutt, zumindest eine Teilstrecke der TID anzugehen. Am 28. Juni treffen wir beim Faltbootclub Ingolstadt auf über hundert TID-Paddler und spüren gleich den internationalen Charakter der Tour. Zur Eröffnung sind aus jedem der Donau-Länder – neben Deutschland auch Österreich, Slowakei, Ungarn, Serbien, Kroatien, Bulgarien und Rumänien – Organisatoren und weitere Paddler gekommen. Dazu starten mit uns einige Holländer, Engländer, Schweizer sowie Jose aus Spanien, Kilian aus Irland und Patrick aus den USA.
Die TID hat einen festen Zeitplan, Tagesetappen, Zeltplätze und Ruhetage sind vorgegeben: Auf meiner Etappe bis Bratislava (588 Flusskilometer an 14 Paddeltagen) erlebe ich fast alles, was ein Paddlerherz erfreut – und frustet. Höhepunkte der ersten Tage: der Biergarten bei der Fähre Eining, der Donaudurchbruch bei Weltenburg, die Fahrt mitten durch Regensburg und dann vorbei an der Walhalla. Allerdings ist paddeln nur in den frühen Morgenstunden angenehm, dann wird es sehr heiß, umfassender UV-Schutz ist angesagt. Zäh die 55 Kilometer von Regensburg nach Straubing: Hitze, keine Einkehr möglich, meist träges bis stehendes Wasser, Gegenwind, zwei Staustufen zu umtragen – und schließlich der steile Hochwasserdamm direkt vor dem Straubinger Kanu-Club. Gut, dass man dann nicht noch den Kocher auspacken muss. Bei fast jedem Nachtlager sorgen die Gastgeber für ein Abendessen, das mit der Teilnahmegebühr schon bezahlt ist. Auch Schlangestehen vor der Ausgabe gehört zum TID-Erlebnis.
Der anschließende Ruhetag ist hochwillkommen – um an der Ausrüstung zu tüfteln, für eine Stadtführung, zum Einkaufen und chillen. In Straubing und am Paddeltag danach begleitet ein Kamerateam des BR die TID, der anschauliche Bericht lief bei „Wir in Bayern“ am 17. Juli (ab Sendeminute 22), man findet ihn in der ARD Mediathek unter diesem Link:
Für einige Sekunden sind übrigens Dietmar und Hans beim morgentlichen Einpacken ihrer Ausrüstung zu sehen – da ist der Zeltplatz schon recht leer. Als Langschläfer bin ich immer wieder beeindruckt, wie ruhig und rücksichtsvoll die Frühaufsteher ihre Zelte abbauen, ihre Boote bepacken und vom Platz rollen. Er ab 6 Uhr steigt der Geräuschpegel merklich an. Auf der Donau sind die TID-Paddler in kleine Gruppen unterwegs.
Zum nächsten Lager in Winzer müssen wir dann 60 Kilometer paddeln, aber der Abend beim dortigen Motorboot-Club entschädigt. Die Blaskapelle spielt auf, Bürgermeister und Vize-Landrat begrüßen uns, Kaffee, Kuchen und Gegrilltes werden angeboten, zum Abschluss gibt’s ein kleines Feuerwerk. Hier, wie auch am nächsten Abend in Erlau bei Passau, ist zu spüren, dass zwischen den Gastgebern und „der TID“, also vor allem ihren Organisatoren, über die Jahre herzliche Beziehungen gewachsen sind. Der alljährliche Besuch der Paddler wird auch für kleine Vereinsfeste genutzt.
In Erlau beenden Hans und Dietmar, auch andere Teilnehmer, ihr TID-Erlebnis. Jetzt sind noch gut 90 Paddler durch Österreich unterwegs. Die müssen sich auf deutlich verändertes Wetter einstellen, mit Regenschauer und kühlem Wind – und auf deutlich mehr Betrieb auf der Donau, vor allem durch Flusskreuzfahrtschiffe. Wie schon in Passau gibt es klare zeitliche Vorgaben für die Schleusung unserer Boote an den Staustufen, anders als in Passau können die aber meist umtragen werden.
Im Linz, im Bootshaus vom Eisenbahner Ruder- und Kanu-Club (ERKC), ein kleiner Exkurs in die TID-Geschichte: 1956 hatten junge Leute in der Tschechoslowakei und Ungarn die internationale Donau-Tour gestartet, als sportliche Aktion für Frieden und Freiheit. Ab 1960 konnte die TID dann in Oberösterreich, knapp hinter der deutschen Grenze, starten. Sportlervisa ermöglichten den Paddlern das Passieren des „Eisernen Vorhangs“. Ein TID-Wimpel von 1961 hängt im ERKC-Bootshaus. In den 1970er Jahren überwand die TID dann auch die Grenze nach Deutschland. Die „Tour International Danubien“ gilt als die größte internationale Kanu-Wanderfahrt weltweit. Selbst während des Jugoslawien-Kriegs fand sie statt. Nur während der Corona-Pandemie fiel sie 2020 und 2021 aus. Deshalb fand heuer statt der 70 erst die 68. TID statt.
Weiter mit wechselnden Eindrücken und häufig wechselndem (Regen)-Wetter : Bei Linz vorbei am großen Stahlwerk von VÖEST/Alpine, danach durch enge Täler und weite Landschaften, unter anderem vorbei am weltberühmten Stift Melk (einige nehmen sie die Zeit für eine Besichtigung). Es folgt mit flotter Strömung eine kurze Tagesetappe durch die Wachau, die viel Zeit lässt, einige Orte am Ufer zu besuchen. Zwei Tage später sieht man schon von weitem die Hochhäuser Wiens. Beim „Endspurt“ zwischen der Kernstadt und der fast 25 Kilometer langen Donauinsel, deren Ufern an diesem Sonntagnachmittag von vielen Erholungssuchenden bevölkert sind und auf der wir ganz im Süden zelten dürfen, verstehe ich, warum die österreichische Hauptstadt seit Jahren zu den lebenswertesten Städten weltweit zählt.
Ein Ruhetag in Wien, dann in zwei Tagen die knapp 50 Kilometer nach Bratislava. Hier endet mein TID-Erlebnis – für dieses Jahr. Wer wie ich nur einen Teil der TID paddeln will, für den bieten die Organisatoren Busverbindungen (mit Bootsanhänger) aus und nach Winzer an, nach Bratislava, nach Mohács in Ungarn, nach Vidin in Bulgarien und natürlich zurück von Braila in Rumänien, wo die TID 2025 am 5. September enden wird, 172 Kilometer vor der Mündung. Seit dem russischen Angriffskrieg ist es zu gefährlich, in das an die Ukraine angrenzende Donaudelta zu paddeln.
17 Tage auf und an der Donau – kein typisches Kanu Schwaben Abenteuer. Ein ruhiger Strom, gleichmäßiger Paddelrhythmus, langsam sich wandelnde Landschaft, (fast) täglich Zelt auf- und abbauen, überwiegend ältere Paddler aus vielen Ecken Deutschlands und Europas. Einige sind schon wiederholt dabei. Die TID kann einen Suchtfaktor entwickeln. Auch für mich könnte sie im nächsten Jahr weitergehen.
Text und Fotos: Hermann Schmid